
Peter Eberli, Mobilec E-Mofa Entwickler
Der Vater meiner Mutter war Italiener und dies konnte man an ihrem temperamentvollen Charakter recht gut spüren. Aufgeweckt, ziemlich nervös und als gute Tänzerin passte sie nicht in das bäuerliche ländliche Leben von Zumikon. In diesem 600-Seelendorf nahe dem Forchpass zwischen dem Zürich- und dem Greifensee hatten meine Eltern das erste Haus nach dem zweiten Weltkrieg erbaut. Neuzuzüger wurden in jener Zeit noch ganz genau unter die Lupe genommen und ausgiebig kritisiert. Mein Vater akklimatisierte sich dank Mitgliedschaft beim Schiessverein und der Mauserkorporation recht schnell während meine Mutter von diesen Landleuten nichts wissen wollte und ihre Lebensmitteleinkäufe ausnahmslos in Küsnacht oder gar in Zürich besorgte. Für Vergessenes schickte sie jeweils meine Schwester oder mich mit der Rückenkrätze zum Dorfladen oder zum Migroswagen der im Weiler Gössikon einmal in der Woche 300m weg von unserem Haus anhielt.

In den Fünfzigerjahren bestand meine Mutter problemlos die Autofahrprüfung und mein Vater musste wohl oder übel einen VW- Käfer anschaffen obwohl er bei seiner ersten Fahrprüfung durchgefallen war und sich dann geraume Zeit von meiner Mutter chauffieren lassen musste. Das entging natürlich den Gössikern nicht und sorgte für Wochen als Tagesgespräch. Eine Frau am Autosteuer war zu jener Zeit noch sehr ungewöhnlich und erweckte eine Mischung von Missgunst, Neid und Abschätzung. Autofahren war schliesslich Männersache! Es dauerte nicht lange bis dass den Reifen des VWs immer öfters die Luft ausging bis ich dann auf dem Weg zur Schule auf unserem 300m langen Zufahrtsweg kiloweise rostige Nägel entdeckte die so gekrümmt waren, dass ihre Spitzen nach oben wiesen und so mit grösster Sicherheit direkt in die Reifen stachen. Meine Eltern verdächtigten einen gewissen Landwirt in Gössikon aber konnten keine Beweismittel erbringen um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. So schickte mich mein Vater immer nach der Schule zum Nägelsuchen. Erst nach zwei Wochen war dann der Weg soweit gesäubert, dass der VW wieder mit einer gewissen Sicherheit bis zum Haus fahren konnte nachdem er zuvor in einem Nachbardorf parkiert werden musste und meine Eltern den letzten Rest der Reise mit der Forchbahn und zu Fuss bewältigen mussten.

Meine Mutter pflegte gerne Freundschaften mit Leuten aus Italien. In ganz besonderer Erinnerung ist mir Raffaele geblieben. Ich musste zu jener Zeit etwa Viertklässler gewesen sein. Raffaele besuchte meine Eltern oft über das Wochenende. Er sprach italienisch und französisch was mich äusserst beeindruckte. Er erschien mir wie ein Filmstar, wie ein Opernsänger höchster Klasse, in perfekter Aufmachung, stets in bester hellgrauer Kleidung, gross und galant. Er wohnte in Genf, er musste wirklich eine aussergewöhnliche Persönlichkeit sein. Ich vermutete, dass er auch ein gewiegter Geschäftsmann war mit internationalen Beziehungen. Er besass einen grossen schwarzen Luxuswagen mit welchem er in Gössikon erneut für Wochengespräche sorgte. Wer war dieser scheinbar äusserst reiche Mann der da mit meinen Eltern verkehrte?
Auch ich kannte den Grund für diese Bekanntschaft nicht. Das war auch gar nicht wichtig für mich. Wichtig war vielmehr, dass dieser Raffaele hie und da ein kleines Geschenk für uns Kinder mitbrachte.

Eines Tages entlud Raffaele aus seinem Wagen zwei grosse schwere mit Weinflaschen gefüllte Kisten, ein Geschenk an meine Eltern. Es stellte sich heraus, dass es sich um Wein der allerbesten Klasse handelte. Jede einzelne Flasche musste ein halbes Vermögen gekostet haben. Als meine Mutter Raffaele fragte wo er denn diese Kostbarkeiten erstehen konnte, schmunzelte er verschmitzt. Das sei eben sein Geheimnis.