Paris – je ne sais quoi V (fünfteilig)

Peter Eberli auf einem Mobilec E-Mofa

Peter Eberli, Mobilec E-Mofa Entwickler

Ma pauvre dame, malheur cette crise du logement-Wohnungsnot

Schon bald bemühte ich mich um eine definitive Unterkunft um meinem katastrophalen Hotelzimmer entrinnen zu können. Aus der Tageszeitung “Figaro” notierte ich tagtäglich inserierte Zimmer und Studios, telefonierte und besuchte die Adressen. Ich musste aber feststellen, dass ich nie mit den Vermietern direkt in Kontakt kam, sondern stets auf Vermittlungsbüros stiess, die sich an mir ausnahmslos schwindelerregend bereichern wollten. Der gesamte Pariser Wohnungsmarkt schien monopolisiert zu sein. Oder doch nicht? Durch Zufall entdeckte ich folgende Anzeige: “Zimmervermittlung ohne Gebühr”. Diese verheissungsvolle Agentur fand ich nach längerer Metrofahrt im Keller eines Vorstadthauses. Die bleiche Sekretärin erklärte mir, dass es sich hier um den “Club der Zimmersuchenden” und nicht etwa um eine Agentur handle. Man ersuche einzig um einen Mitgliederbeitrag von 100 Francs. Es brodelte wild in meinem Innern und fluchend trat ich die Heimfahrt an. 

Bezahlbare Wohnung

Kurz darauf deponierte ich dann äusserst widerwillig trotz allem 200 Francs in einem Vermittlungsbüro, da mir meine Bürokollegen zu keiner besseren Idee verhelfen konnten. Der Agent versicherte mir von nun an Adressen telefonisch mitzuteilen sodass ich diese aufsuchen konnte. Nicht nur unterliess er dies in der Folge, sondern bei sämtlichen acht Adressen die ich von ihm nur nach persönlicher Reklamation erhielt, handelte es sich um bereits vermietete Zimmer!

Des elenden Spiels satt, forderte ich die 200 Francs zurück. Doch der Agent winkte lächelnd ab. Glücklicherweise befand sich in diesem Moment nicht ein kantiger Backstein in meiner Griffnähe mit welchem ich das Lächeln aus diesem lausigen Agenten hätte abrupt vertreiben können! Weder der Advokat meiner Firma noch das Schweizer Konsulat wollten sich mit meinem Miniskandal befassen obwohl ich beteuerte, dass es mir ja nicht in erster Linie um die 200 Francs sondern um die Aufdeckung eines in dieser Branche offenbar zahlreichen Betrügers ging. Glücklicherweise erhielt ich zu jener ärgerlichen Zeit mein erstes Monatsgehalt, das mich im letzten Moment vor dem Ruin bewahrte. Nie hatte mir ein Zahltag so viel bedeutet. Gerade noch 30 Francs hatte mein Geldbeutel enthalten.

Kann ich bitte bei Ihnen eine Wohnung beantragen. Klar beantragen können Sie alles.

Bald darauf kam ich auf die zündende Idee, die ich schon lange hätte haben sollen: Die Sozialfürsorgerin meiner Firma! Die gütige Dame notierte mir sieben Adressen von öffentlichen seriösen Vermittlerorganisationen, die ich alle während der Geschäftszeit aufsuchen durfte. Doch  welch ein Pech! Die erste Organisation kümmerte sich nur um ledige junge Mädchen, die zweite um Algerier, die dritte um französische Studenten, die vierte um kinderreiche Familien usw. usw. Auch das im Schweizer Konsulat aufgelegte Dossier, das ich durchblättern ging, gab keine Wunder preis.

Entmutigt begann ich erneut auf Annoncen hin zu telefonieren, doch wie gewohnt, Agenten, Agenten und nochmals Agenten. Eines dieser Vermittlungsbüros versicherte mir zwar, dass die Gebühr erst nach Bezug des Zimmers zu berappen sei. Sollte ich es nochmals versuchen? Ich konnte ja mindestens nichts verlieren. Ich liess mich einschreiben. Schon einen Tag darauf begleitete mich eine Angestellte besagten Büros zu einem Zimmer in der Nähe des Place Clichy. Doch, ich akzeptierte es kühl als Gewohnheit, das Zimmer entpuppte sich als schon vermietet. Trotzdem musste ich meiner Begleiterin die Metrokosten vergüten.

Mansardenzimmer Paris

Beinahe nicht mehr zu glauben, die gleiche Agentur meldete sich wieder nur einen Tag später. Ein anderes bereits vermietetes Zimmer? Hoffnungsvoll schloss ich mich einmal mehr der Vermittlungsdame an und diesmal führte sie mich sechs Stöcke über eine hölzerne Wendeltreppe hinauf auf den Dachboden eines älteren vornehmen Hauses. Ein Mansardenzimmer mit romantischen Winkeln und Nischen, Sonnenlicht durch ein kleines Dachfenster, frischer Farbe, warmem Wasser… kurz eine wahres Paradies auf 15m2 mitten in Paris nur 300m von meiner Firma entfernt und sage und schreibe noch unvermietet! Überquellend vor Freude überliess ich der Agenturdame die obligatorischen Hunderternoten und bezahlte ihr gar noch einen Kaffee, sie ahnte wohl kaum warum!

So brachte ich es in Paris zu einer hochinteressanten Arbeit und einem typisch pariserischem “Chambre de Bonne”… beides zusammen, kaum zu glauben!

Author: Peter Eberli