
Peter Eberli, Mobilec E-Mofa Entwickler
Eigentlich hätte von nun an der Karfreitag einen normaleren Lauf einschlagen sollen. Aber eben, wie das Sprichwort sagt, ‘aller guten Dingen sind drei’, kann auch gelten als ‘aller schlechten Dingen sind drei’. Volleyballmatch verloren, Portemonnaie vergessen und was als drittes?


Die Bahnfahrt nach Lausanne und anschliessend in Richtung Wallis ist herrlich. Erster Sonnenschein fällt durch die weissen lichten Wolken und verzaubert die Genferseelandschaft in märchenhafter Weise. In St-Maurice muss ich umsteigen in den Zug nach Monthey. Auf meinem Reise- Zetteli habe ich vermerkt, dass die Umsteigezeit nur einige wenige Minuten beträgt, also los, die Treppe hinunter, durch den Gang, die Treppe hoch, der Schnauf geht aus aber ich schaffe es gerade noch in den Zug nach Monthey. Kaum sitze ich, fährt er schon. Nur sieben Minuten wird dies letzte Fahrt dauern. Das Wetter ist herrlich, die Sonne wirft ihre Strahlen über die schneebedeckten Berge, es ist wie in den Ferien!
Es ist ein Bummelzug, er hält an jedem kleinen Bahnhof. Irgendeinmal stelle ich fest, dass ich nun schon 15 Minuten in diesem Zug sitze und Monthey noch immer nicht erreicht habe. Etwas kann da irgendwie nicht ganz stimmen. Ich fasse Mut und frage die Dame vis-à-vis von mir ob wir etwa bei Monthey schon vorbeigefahren sind. Verdutzt schaut sie mich an, studiert ein wenig und sagt mir dann, ja sie guter Mann, wir sind nicht unterwegs in Richtung Monthey, wir fahren in Richtung Martigny. Für Monthey müsste ich in Martigny wieder den Zug zurück nach St-Maurice nehmen und von dort auf einer anderen Linie nach Monthey reisen.

Das kann doch nicht sein! Jetzt brodelt es in meinem Innern. Am liebsten hätte ich jetzt in den Wagen hinaus geflucht, ganz laut, ein jämmerliches Gejaule hätte ich loslassen wollen, aber die zahlreichen Passagiere haben mich gerade noch im letzten Moment von einer solchen Verzweiflungsaktion abgehalten.
In Martigny habe ich eine halbe Stunde Zeit um mich über den falsch gewählten Zug zu ärgern. Erst später habe ich herausgefunden, dass in St-Maurice zwei Züge genau zur selben Zeit, nämlich um 9h33, abfahren und man eben noch auf die Anzeigetafeln schauen müsste um den richtigen Zug zu wählen. Jetzt muss ich dem Kunden mein Missgeschick mitteilen da er ja von einem Bergdorf speziell nach Monthey gekommen ist um mich dort für die Reparatur zu treffen. Mein Rucksack besitzt verschiedene Aussentaschen, sehr praktisch bis zum Moment wo man etwas Bestimmtes suchen muss, mein Telefon zum Beispiel. Meine Hände wandern von einer Aussentasche zur andern, aber keine Spur vom Telefon. Jetzt erinnere ich mich daran, dass ich das Telefon vor einigen Tagen in einer Einkaufstasche mitgenommen hatte, dieses nie aus dieser entfernt habe und sich dieses deshalb noch immer in dieser sich in meiner Küche befindlichen Tasche befindet. Ich rechne aus, dass ich genau eine Stunde verspätet in Monthey ankommen werde. Es besteht Hoffnung, dass der Kunde annimmt, dass ich den Zug in Lausanne verpasst habe und so eine Stunde später eintreffen werde.

Als der Zug endlich in Monthey zum Stehen kommt und ich aussteige, entdecke ich einen völlig menschenleeren Bahnhof. Ich warte fünf Minuten aber der Kunde erscheint nicht. Vis-à-vis vom Bahnhofgebäude befindet sich eine der wenigen noch existierenden öffentlichen Telefonkabinen. Aber in der heutigen modernen Zeit telefoniert man nicht mehr mit Geldstücken, nein man muss eine Swisscom-Taxkarte sein eigen nennen, sonst gibt’s keine Verbindung. Das habe ich einmal im Genfer Flughafen erlebt. Eine normale Kreditkarte wurde vom Automaten achtlos ausgeworfen. Wie kann schon ein ankommender Ausländer eine Swisscom- Taxkarte besitzen? Unsinn!
Trotzdem, ich nähere mich der Telefonkabine äuge hinein, lese das Wort Taxkarte und ganz klein daneben, erspähe ich einen eine Kreditkarte zeigenden Kleber. Hoffnungsvoll stecke ich meine Migros- Cumuluskarte in den Schlitz und siehe da, Swisscom hatte scheinbar gelernt, ich kann die Nummer des Kunden wählen. Der Kunde ist wieder zu Hause in seinem Bergdorf. Zu meinem Erstaunen erklärt er mir, dass sein Elektromofa wieder bestens funktioniere nach dem ich ihm am Telefon vor zwei Tagen erklärt hatte, gut zu kontrollieren ob er die Batterieaufladung nicht etwa vergessen habe!
Du lieber Himmel, all dieser aufregende Nerven zermürbende Aufwand für nichts!

Aber nun gilt es mit dem nächsten Zug sofort die Reise zurück nach Colombier anzutreten. Abfahrt um 11h28. Dank meinem beim Bahnhof Neuenburg parkierten Elektromofa, spare ich gegenüber dem Tram noch einige Minuten Fahrzeit nach Colombier ein, wo ich um 13h45 eintreffe. Jetzt muss das Haus in aller Eile für den wichtigen Besuch aus Frankreich vorbereitet werden. Ich habe vorgesehen meine beiden Gäste mit einem Afternoon Tea aus Bangladesh und mit English Cake aus London zu verwöhnen. Der beste japanische Teeservice kommt auf den Salontisch. Das Wasser wird bereits auf dem Gasherd vorgewärmt. Dann, wie üblich bei seltenem VIP-Besuch, kommt die Schweizerfahne über die Eingangstüre gehängt. Das Bödeli hinter der Eingangstüre wie auch die ersten Treppenstufen werden geputzt. Der erste Eindruck muss positiv sein. Der wunderschöne Sonnenschein ist begrüssenswert hat aber den Nachteil, dass der sich seit Wochen auf den Möbeln angesammelte Staub äusserst sichtbar wird. Also wedle ich mit dem Plüschflaumer noch schnell über die zweifelhaften Flächen bis alles wieder glänzt und beinahe wie neu aussieht.
Jetzt kann ich endlich zurück lehnen, ausruhen, warten und mich auf den Besuch freuen.

Als der Besuch auch um vier Uhr noch nicht eingetroffen ist, muss ich annehmen, dass da irgendwo ein grosser Stau auf einer Autobahn vorhanden ist, was ja an einem Karfreitag, einem Ferientag, nicht vollständig auszuschliessen ist. Irgendeinmal gehe ich hinüber in den Werkraum auf der anderen Strassenseite um dort etwas zu holen. Beim Zurückkommen blinzle ich schnell in den Briefkasten hinein obwohl ich ja weiss, dass am Karfreitag keine Post verteilt wird. Oder doch? Da liegt etwas drin das aussieht wie eine Bibel. Die Zeugen Jehovas? Wollten die mir einen göttlichen Besuch abstatten? Ich öffne den Briefkasten. Das Buch, auf welchem eine grosse Schildkröte abgebildet ist, ist mit “Die wundersame Reise einer finnischen Gebetsmühle” betitelt. Das muss also eine dieser ganz modernen zeitgemässen Bibeln sein. Als ich die erste Seite aufschlage, entdecke ich eine handgeschriebene Widmung meiner Gäste, die bereits knapp vor 13h45 meine Hausglocke betätigt haben, und die ich mit nur einigen Minuten verpasst habe!
Verflixt und zugenäht!
Herrgott, bitte vergebe mir meine sträfliche sprachliche Verhaltensweise.